Hallo farahnaz (oder darf ich Moe sagen
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bei beiden Softwarelösungen kommen unterschiedliche mathematische Ansätze für die Berechnung zum Einsatz. Ich sehe Nutzer und Anwender in unterschiedlichen Zielgruppen.
FormingSuite: Bauteildesign, Kalkulation, Angebotserstellung - Machbarkeitsstudien
Pamstamp: Werkzeugdesign, Validierung der Umformmethode in Berechnungsabteilungen - Herstellbarkeitsanalysen
Kernstück der FormingSuite (aktuelle Version 9 ist frisch auf dem Markt) ist ein sogenannter Onestep-Solver. Mittels Einschrittverfahren (quasi eine Projektion der vernetzten Bauteilgeometrie in die Ebene) wird rückwärts aus der Bauteilgeometrie der Materialeinsatz (also die theoretische Platinnengeometrie) ermittelt, ohne dabei schon fertige Werkzeuggeometrien betrachten zu müssen. Dabei wird die Ausdünnung in den markanten Geometriebereichen (z.B. Versteifungssicken oder Kofferecken)berechnet . Durch Setzen von Randbedingungen können Rückhaltekräfte z.B. an den Bauteilkanten definiert werden, die das Abspannen des Materials im Tiefzieh- oder Streckziehbereich modellieren (also als Ersatz der Materialabstreckung durch Einsatz von Blechhaltern, Abkantungen oder Ziehwulsten bei der Betrachtung von kompletten Werkzeuggeometrien).
Je nach Lizenzmodul (Fastblank, Fastform oder Fastform Advanced etc.) erhält man als Ergebnis Dehnungen in der Blechebene, Ausdünnung oder Spannungen sowie Auswertungen zur Herstellbarkeit anhand der Lage der Dehnwerte im Grenzformänderungsschaubild (Darstellung der Haupt- über die Nebendehnung in der Blechebene). Dargestellt werden die unterschiedlichen Ergebniswerte (Postvariablen) als Farbverläufe auf der Original-Bauteilgeometrie. Gegenüber dem Bruttomaterialeinsatz (CAD-Konstruktion) wird der Nettomaterialeinsatz berechnet (Netto < Brutto, da lokale Materialusdünnung berücksichtigt wird)
So, diese kleine Einleitung musste zunächst einmal sein.
Pamstamp (ESI-GmbH Eschborn) hingegen ist ein High-End-Softwaresystem zur Betrachtung von Umform- oder Tiefziehprozessen unter Einsatz von auskonstruierten Werkzeugwirkflächen, was den Realitätsbezug hinsichtlich der Abbildung von physikalischen Gesetzmässigkeiten betrifft (Werkzeugkinematik, Blechhalterdistanzierung, Reibung, Pressenkräfte usw.).
Die Berechnung der Umformung erfolgt inkrementell (Zeitschritte) von der ebenen Zuschnittsgeometrie zum fertigen Bauteil. Dabei kann die komplette Herstellung des Bauteils nach einem vorhandenen Methodenkonzept abgebildet werden (Aufteilung in aufeinandrefolgende Umform- und Beschnittstufen mit Betrachtung der hochgenauen elastischen Auffederung von Blechgeometrien beim Werkzeugwechsel).
Natürlich gibt es auch innerhalb Pamstamp einen One-Step-Solver zur Ermittlung des Zuschnittes einer betrachteten Geometrie (muss nicht immer nur die Bauteilgeometrie sein). Dieser ist aber bei weitem nicht so komfortabel und leistungsstark, wie der von FTI (siehe oben). Z.B. gerät der an seine Grenzen bei schlechter CAD-Qualität der importierten Geometrien (Vernetzung etc.) und kann auch nicht realistisch mit Hinterschnitten (negative Entformungsschrägen) umgehen. Die Aufbereitung der Geometrien (z.B. Schließen von Löchern und freien Kanten) ist zudem nur über den Umweg in das CAD-Modul zurück. Seit der Version Pamstamp 2011 gibt es auch keine Möglichkeit mehr, das integrierte Methodenplanmodul Die-Maker dafür zu verwenden. Dies ist nur noch als CatiaV5-Plugin zu bekommen.
Die FTI (Hersteller der FormingSuite) hingegen haben aber 'ne Menge in deren Software reingepackt, um in der Bauteildesignphase Machbarkeitsstudien durchzuführen. Damit werden schon sehr gut kritische Bauteilbereiche (Ausdünnung und Faltenbildung) vorausgesagt aber ohne den Anspruch auf absolute Genauigkeit (geht schon daher nicht, da ja die tatsächlichen späteren Werkzeuggeometrien nicht in das mathematische Modell mit einbezogen werden).
Die berechneten Kräfte mit der FormingSuite sind mit Vorsicht zu genießen und haben nichts mit den tatsächlich benötigten Umformkräften zu tun. Nur soviel - je höher die Kraft, desto mehr wird benötigt. Hier sollte man einmal ein bestehendes bekanntes Werkzeugkonzept nachrechnen. Die Unterschiede bzgl. der berechneten Umformkräfte und der verwendeten Federkräfte wird schnell deutlich.
Mit Pamstamp lege ich hingegen die passende Pressenleistung fest. Will heißen: habe ich die Physik beim Umformprozess verstanden, kann mit Pamstamp die benötigte Umformkraft exakt berechnet werden. Das gilt für Gasdruckfederkissen gleich wie für die gesamt benötigte Pressenkraft beim Warm- und Kaltumformen.
Durch Verwendung der FormingSuite können aber auch schon viele methodenspezifische Aspekte für ein funktionierendes Werkzeugkonzept erarbeitet werden (Einschwimmen bzgl. Vermeidung von Hinterschnitt, Schließen von Löchern, Auswirkungen von doppeltfallendem Werkzeugkonzept etc.).
Aufbauend auf den Ergebnissen der Platinenermittlung kann mit Erweiterungsmodulen (gleiches GUI - Lizenz aber teurer) die Schachtelung der Platinen im Coil oder Formzuschnitt analysiert werden, um schon frühzeitig den tatsächlichen Bruttomaterialeinsatz für das gewählte Methodenkonzept (Folge-Verbund, Transfer oder Mehrstufenwrekzeug)zu ermitteln (Berücksichtigung von umlaufender Materialzugabe für sauberen Bauteilbeschnitt).
Das soll's erst einmal gewesen sein .
Hm, hoffe das war jetzt nicht zu umfangreich (was man in seiner Mittagspause nicht alles tut...)
...blubb, blubb!
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"Phantasie ist wichtiger als Wissen"
>>>Albert Einstein<<<<
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