Hallo Lueghi,
ich bin ja bekannt dafür, dass ich ähnlich kurz und prägnand schreibe wie Martin, daher auch schnell zwei Zeilen von mir
Wir haben das seit Jahren immer wieder mal auf dem Schirm, aber zumindest ist unserer Arbeitsumgebung ist das uninteressant. Ich möchte dir auch gerne erklären, warum das so ist: ich glaube, dass hier der klassische Unterschied zwischen Theorie (Versprechen an Vorgesetzte und Manager) und Praxis (Einsatz und Nutzen im täglichen Gebrauch) und die grundlegende Problematik bei Suche generell sehr schön zu Tage tritt.
Ich gehe davon aus, dass du mit der Gleichteilsuche, auch Doublettensuche, Geometrische Suche oder ähnliches genannt solche Tools wie die von CADENAS oder Similia meinst (und da tritt im Moment noch einer recht aggressiv mit Cold Calls Werbeanrufen Produktinformationen auf, simus classmate CAD). So wie ich das verstanden habe analysieren diese Tools die reine Geometrie (dadurch werden sie unabhängig vom CAD-System), bilden darüber mehr oder weniger schlaue Indizierungen und speichern diese in einer Datenbank.
Als interessante Funktionen werden dann mehrere Varianten der Analyse angesprochen: Ähnlichkeitssuche nach Kriterien, Gleichteilsuche (als Vergleich z.B. mit dem aktuellen Modell) und Bestandsanalyse auf Mehrfachteile.
Gehen wir die mal einzeln durch: Ähnlichkeitssuche nach Kriterien. Das sollte der geneigte Anwender nutzen, bevor sie ein neues Teil erzeugt. Also so ungefähr wie: ich brauch eine 928mm langes, 40x30mm Rohr mit 3mm Wandstärke, 3 Bohrungen 10 mm auf beiden Seiten. So was in der Art ...
In der Theorie ganz nett, meist sieht es so aus: selbst wenn die Suche solche Eingabemöglichkeiten bietet (und das ist ja jetzt ein sehr einfacher Fall) hast du im Besten Fall genau einen Treffer - das wäre prima. In der Regel hast du aber entweder 0 oder mehrere Treffer. Bei 0 Treffer hast du also Zeit für die Suche verschwendet und musst es jetzt doch selber machen, bei mehreren Treffern hast du auch noch die Qual der Wahl und musst abschätzen, welches der Dinger mit den zusätzlichen (oder fehlenden) Features du denn jetzt so abändern könntest, dass es überall beim Einsatz passt.
Wenn du das ein paarmal erlebt hast fällst du in dein vertrautes, für die Konstruktion effizientes Schema zurück: du machst es eben schnell neu, da kannst du abschätzen, dass du so ein Rohr inkl. Ablage im PDM in 8 Minuten durch hast. Außerdem ist es "deins", du brauchst dich nicht um Teileverwendung oder so etwas kümmern und bei Änderungen durch andere geht bei dir nichts kaputt. Win-Win ohne Ähnlichkeitsuche
Jetzt hast du dieses Teil also neu gemacht, an der Stelle kommt dann die zweite Variante zum Einsatz: Logistiker, die Leute der Materialverschlüsselung und natürlich die Effizienzrechner im Unternehmen (und die mit den Dollarzeichen in den Augen, weil sie was von 25% Einsparpotential gehört haben) machen den Konstrukteur wuschig, dass Mehrfachteile nun wirklich viel zu teuer sind. Und dagegen gibt es jetzt die Gleichteilsuche - die analysiert dein Teil, dass du schon gemacht hast (und in deinen Baugruppen verbaut hast?) und sucht jetzt im Datenbestand gleiche oder ähnliche Teile raus.
Das kann in meinen Augen wirklich noch gut funktionieren, der Konstrukteur hat zwar dann sein Teil vergebens gemacht, aber wenn so eins schon existiert kann er das dann doch einsetzen. Dieser Vorgang an sich hat aber keine Kosten eingespart, letztlich haben wir "nur" ein weiteres Dokument, dass Plattenplatz braucht. Interessant wird es ja erst, wenn aus diesem Dokument auch ein neues Teil verschlüsselt, gefertigt und gelagert wird - das aber ist IMHO unabhängig vom Dokument! Das Material (das gefertigte Teil) und das CAD-Dokument sind zwei Paar Schuhe, zumindest bei uns ist es durchaus möglich zwischen Material und Dokument n:m Beziehungen zu ziehen, so dass in diesem Fall also theoretisch das neue Teil an ein bestehendes Material angehangen werden kann und gut ist.
Okay, okay, 90% der Kosten werden in der Konstruktion und Entwicklung gelegt, aber mittlerweile bekommt man auch das Gefühl, das 90% der Arbeit in der Konstruktion erledigt werden soll, inkl. solcher logistischer und organisatorischer Arbeiten. Bitte versteht mich nicht falsch, in einem optimalen, theoretischen und laborumgebungseingeschränkten Umfeld ist das toll, aber Ingenieure und Techniker machen das, weil sie Tüftler sind und Probleme lösen wollen, nicht weil sie gerne am Computer was suchen, die SAP-Gui so toll finden oder sich über chaotische Ablagesysteme im Hochregallager Gedanken machen wollen.
Kommen wir zum letzten Punkt: Bestandsanalyse eines mehr oder weniger großen Datenbestands. Da werden Dinge versprochen, die Managern und Budgetverantwortlichen die Freudentränen die Wangen runter fließen lassen - und eine erste "kostenlose Demoanalyse" mit ein paar 10.000 Modellen bringt meist auch eine beeindruckende Anzahl von Gleich- und Ähnlichteilen. Alle jubeln ... und dann?
Wir wussten z.B. auch schon vorher, dass wir selbst einige Schrauben oder Bleche mehrfach im System hatten, unser Datenbestand selbst nur der SolidWorks-Daten hat mittlerweile 20 Jahre auf dem Buckel. Aber was hätte das jetzt zur Konsequenz? Die Dokumente sind freigegeben, verbaut, Teileverwendung in den Dutzenden oder gar Hunderte (im Falle der Schrauben). Wer will die denn jetzt auschecken, austauschen, die Verknüpfungen und dabei geschroteten Features reparieren, versionieren und neu freigeben? Um anschließend denselben Zustand zu haben (dokumenttechnisch) wie vorher? Nein, denn das ist jedem klar, das kostet Geld und Zeit, und zwar nicht zu knapp.
Nur zur Info: wenn wir solche Geister finden setzen wir alle bis auf den "echten" auf ungültig, so dass die bei Ähnlichkeiten und Neukonstruktionen nicht mehr benutzt werden und ausgetauscht werden, aber nicht aktiv ausgetauscht werden müssen.
Von daher: ja, ist eine interessante Sache. Ja, kann in bestimmten Situation die Teilevielfalt eindämmen (vor allem, wenn die Konstrukteure darun einen Sinn sehen und mitmachen). Fraglich, ob damit so viel eingespart werden kann, wenn man alles gegeneinander rechnet. In meinen Augen uninteressant, um größeren Datenbestand zu reduzieren.
Ich hoffe, ich konnte das halbwegs rüberbringen, wo ich den Haken sehe. Technisch faszinierend, wenn gewollt und bewusst eingesetzt sicher toll, aber je nach Umgebung nicht anwendbar.
Ciao,
Stefan
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Inoffizielle deutsche SolidWorks Hilfeseite http://solidworks.cad.de
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